Oft bin ich die Straße auf und ab gegangen, bis mir ihr Nirgendwo auffiel und ich sie erfand und zerteilte, um sie zu vergessen. So könnte man sich einen Ansatz denken, der diese Zeichnungen und mehr noch diese Malerei möglich macht. Entsprungen aus der Fremdwerdung des Bekannten, der Unerträglichkeit des bloßen Wiedererkennens.
Die Philosophie kennt solche Vorgänge gegen jegliche Programmatik seit langem, Urs Stäheli hat in „Sinnzusammenbrüche“ daran erinnert: „Die Rekursivität eines Programms, welches die Resultate des eigenen Lesens liest, löst eine paradoxe Verknüpfung verschie- dener Systemebenen aus.“ Und man kann ohne große Übertreibung sagen, dass die Kunst Kromaths eben aus dieser Paradoxie, der Unmöglichkeit der Wiederbegegnung geboren scheint.
Der Ausweg aus dem Paradoxen, Dekonstruktiven lässt sich nicht ordnen, seine „imaginäre Ganzheit, parasitäre Heimatlosigkeit“, um einen Moment beim angesprochenen Gedan- ken Stähelis zu bleiben, fallen immer wieder über ihn her und stellen die Erscheinung in Frage.
Es ist nicht einfach ein Aufbegehren in einem Akt der Befreiung, der schneidenden Kontraste, das diese Malerei kennzeichnet. Es ist zugleich das Wissen um den Reflex, dem die befreiende, neu ansetzende Geste nicht entkommt. Immer entsteht mit dem Neuen die Reflektion auf das Neue, die es zu Erkanntem macht. Denn nirgends ist Kromaths Kunst naiv.
Man könnte meinen, dass die malende und die reflektierende Geste sich ineinander verfangen, einen endlosen und ausweglosen Kampf miteinander ausfechten, der beides, das Form- und Farbsetzende einerseits und das diese Spontaneität relativierende Bewusst- werden andererseits, endlos fortschreibt. Und zweifellos ist die Gefahr einer Schleife einer der Hauptwiderstände, mit denen diese Kunst sich auseinandersetzt. Es ist nicht die, dass sich die kontrastierende Figuration wiederholt, das zeigen überdeutlich die Frische und die stets überraschenden Konstellationen. Es ist die, dass sich neben dem natürlichen Wiedererkennungseffekt des Stils latent eine Vergleichbarkeit der Aussage etabliert.
Es ist also die Frage nach der Freiheit der Gebilde, die nicht eine Befreiung von etwas Bestimmtem ist – wie sie Übermalungstechniken oder paradoxe Zitate bewerkstelligen. Sondern das Bewusstsein, dass Freiheit von Konstruktionen neue Konstellationen schafft. Dass ein Detail sich nur durch das andere definiert. Dass so gesehen ihr Erscheinen partikular und ephemer ist, nicht über sich hinausweist. Und doch mit dieser Zurücknahme des Geltenden, dem Verzicht auf etablierte Lesbarkeit eine Sprache von Erfahrenem und Reflektiertem darstellt...
Selten kommen einem in dieser Kunst gegenständliche Abbildungen entgegen, schon gar nicht abstrahierte, zeichenhafte oder symbolische. Und doch scheint alles, nicht nur dezidiert in den Zeichnungen, von Gegenständen zu sprechen, dem Ungegenständlichen, das nur Farbe und Fläche sein will, zu widersprechen, seiner Selbstgewissheit und Selbstgefälligkeit. Denn die unerhört lebendige Spannung dieser Bilder ergibt sich nicht aus der Geometrie, weder der der Formen noch der der Farben, sondern aus ihrem Kampf gegen die Geometrie, die ständig gebrochen wird und auf Abgründe verweist, die dunkel, die aber auch hell sein können. Das Kraftfeld mit seinen tragischen und heiteren Plötzlichkeiten ist enorm groß. Und gerade mit ihrer Aufhellung entwickeln die Farben mitunter eine nahezu psychisch spürbare Elektrizität.
All dies scheint ein Spiel der Energien über dem Leeren, dessen sie gewiss sind und gewiss sein müssen, um ihrer Kraft innezuwerden. Es ist das Spiel einer Sprache, die wir verstehen, ohne sie zu entschlüsseln, die es nicht zu entschlüsseln gilt, sondern als direkt zu lesen. Als die Kraft des Nicht-Zusammengehörenden, die wir kennen, der auch unsere Erfahrungen ausgesetzt sind und aus der unser Bewusstsein besteht. Diese Reibung, die wir immer wieder in Begriffe zu fassen suchen, in temporäre Formen, nicht daran denkend, dass sie nur aus dem Moment, dem Vergehen überhaupt hervorgeht. Christian Kromaths Bilder erinnern uns daran. Und an etwas anderes noch, man muss es so schlicht sagen: an die Schönheit.